Medienmitteilung vom 14. März 2011

  • 14. März 2011

Poststellen als Apotheken

Italiens Staatspost geht mit einem neuen Geschäftsmodell in die Versuchsphase

150 150 Verband der Schweizerischen Versandapotheken VSVA

Die italienische Staatspost (Poste Italiane) wagt sich ins Apothekengeschäft vor. Demnächst startet sie mit dem Versuch, als Pickup-Stelle für Rezepte und als Ausgabestelle für rezeptpflichtige Medikamente zu wirken. Ist die Versuchsphase erfolgreich, gibt es in Italien schon bald auf einen Schlag mehr als 50‘000 neue Apotheken.

Das italienische Gesundheitswesen ist verstaatlicht, weshalb das von den Poste Italiane ins Auge gefasste neue Versorgungsmodell für Medikamente in der Schweiz wohl kaum Nachahmung finden wird. Bisher galt in Italien: Wer seine verschreibungspflichtigen Medikamente in einem staatlichen Spital, das heisst in einer staatlichen Spitalapotheke statt in einer Ladenapotheke, bezieht, erhält dafür 50 (!) Prozent Rabatt. Dieser gesetzlich vorgeschriebene Preisnachlass drückt enorm auf die Margen und hat die Spitäler natürlich bisher nicht motiviert, voll ausgestattete Apotheken zu betreiben. Nicht selten nahmen daher Patientinnen und Patienten den langen Weg ins nächst gelegene Spital und die dort stets lange Warteschlange vergeblich auf sich: Das gewünschte Medikament ist ausgerechnet nicht verfügbar. Dieses Defizit wollen die Poste Italiane nun kompensieren: Gegen Vorweisen eines Identitätsausweises und der persönlichen Gesundheitskarte – mit welcher man übrigens nach 20 Uhr an Automaten auch Zigaretten beziehen kann – wollen die Poststellen inskünftig ärztliche Rezepte entgegennehmen, um anderntags am Schalter die Bestellung bereit zu halten.

Pharmaindustrie und Ladenapotheken kooperieren

Die Innovation ist vor allem deshalb von Interesse und verdient Beachtung, weil in der Europäischen Union Bestrebungen im Gange sind, den Medikamentenvertrieb bei den Ladenapotheken zu monopolisieren. Die italienischen Ladenapotheker, die sich mit den Spitalapotheken bereits ein Monopol teilen, sehen die Sache aber anders und erkennen im neuen Modell sogar die Chance, neue Märkte für sich zu erschliessen. Derzeit laufen zwischen dem Apothekerverband und den für die Medikamentendistribution behördenseitig zuständigen Regionen Verhandlungen, die zum Ziel haben, dass die Lieferung nicht durch die Hersteller, sondern durch die den Poststellen am nächsten gelegenen Ladenapotheken erfolgen kann. Dies wiederum freut die Poste Italiane, weil sie damit die pünktliche Auslieferung der Medikamente besser gewährleisten können, als wenn sie selbst für den Transport zwischen Grossist und Poststelle fungieren müssten. Sicherheitshalber hat man aber bereits eine Vereinbarung mit Farmindustria, dem Dachverband der Medikamentenhersteller, getroffen, für den Fall, dass zwischen den bürokratisch tickenden Regionalverwaltungen und den Apothekern eine Vereinbarung gar nicht oder nicht rechtzeitig zustande kommen sollte.

Bella Italia?

Die neue Dienstleistung mag patientenfreundlich sein, sie wird aber in Italien zu einem Kostenschub im Gesundheitswesen führen, indem mit dem neuen Modell der dort gesetzlich vorgeschriebene Rabatt verwirkt wird. Experten gehen von jährlichen Mehrkosten in der Höhe von rund 600 Millionen Euro aus. Das aber stört aber in Bella Italia niemanden. Das Medikament bezahlt ohnehin der Servizio Sanitario Nazionale, also der Staat.