Eindrückliches und patientenfreundliches Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) in Sachen künstlich hochgehaltener Medikamentenpreise in der Bundesrepublik Deutschland: Weil es gegen das Gebot des freien Warenverkehrs in der EU verstossen würde, sind Versandapotheken, die von einem europäischen Drittstaat aus Patientinnen und Patienten in der Bundesrepublik bedienen, nicht mehr gehalten, sich an die in der BRD geltende Preisbindung für verschreibungspflichtige Medikamente zu halten. Diesen Sieg zugunsten von sinkenden Medikamentenpreisen in Deutschland hat eine Patientenorganisation erstritten. Die Ladenapotheker geben sich entsetzt und blasen zum Gegenangriff.
Über Jahre hinweg haben deutsche Ladenapotheken sich an einem «Gefäss» gelabt, das ihnen für den Verkauf von verschreibungspflichtigen Medikamenten gesundheitsökonomisch zumindest fragwürdige Gewinne eingefahren hat: Mit einer bundesweit geltenden «Preisbindung» wurde sichergestellt, dass mit verschreibungspflichtigen Medikamenten Erträge erzielt werden konnten, die nicht mit dem Wohl der Patientinnen und Patienten rechtfertigbar waren, sondern stets und ausschliesslich dem Erhalt von teilweise veralteten Versorgungsstrukturen dienten. Mit dieser Subvention soll nun gemäss EuGH Schluss sein. Letztlich in Anerkennung der Vorteile des Bezugs von Medikamenten über eine Versandapotheke – eine flächendeckendere Gesamtversorgung als diejenige, die der Versandhandel anbietet, kann man sich kaum vorstellen – hat der EuGH entschieden, dass es gegen das Gebot des freien Warenverkehrs in der EU verstossen würde, wenn deutsche Patientinnen und Patienten nicht ins benachbarte EU-Ausland ausweichen dürften, um dem in ihrem Land künstlich hochgehaltenen Preisniveau zu entfliehen. Erstaunlich, dass der bislang geltende, nationale Protektionismus ausgerechnet von der BRD eingefordert wurde, die doch sonst belehrend durch den Kontinent zieht und Staaten daran erinnert, dass Nationalismus ein Auslaufmodell sei.
Gegenangriff der Ladenapotheker: Nur Wahlkampf?
Um sich ihre angestammten Privilegien vielleicht doch noch sichern zu können, haben die deutschen Ladenapotheken jetzt zum Gegenangriff geblasen. Mit einer aus dem Freistaat Bayern stammenden «Bundesratsinitiative» soll versucht werden, den Versandhandel mit verschreibungspflichtigen Medikamenten in der BRD gleich total zu verbieten – denn das liesse das EU-Recht zu. Die lokale und parteipolitische Herkunft der Bundesratsinitiative lassen allerdings vermuten, dass im Vordergrund solchen Handelns nicht die Wahrnehmung der Patienteninteressen und auch nicht der vorgeschützte Erhalt der Versorgungsstrukturen stehen, sondern dass damit einzig eine für die in Bayern bevorstehenden Landtagswahlen bedeutende Klientel, die Ladenapotheker, bedient werden soll. Bleibt zu hoffen, dass die zuständigen Behörden des Bundes dieses scheinheilige Manöver durchschauen und verhindern, dass in Deutschland wohnende Patientinnen und Patienten wegen ihrer Erkrankung und der damit verbundenen Notwendigkeit, Medikamente beziehen zu müssen, zu einer Art von «Ladenbesuchszwang» verdonnert werden – und dazu, einem Gewerbezweig zu auch in moralischer Hinsicht dubiosen Gewinnen zu verhelfen.